Reform des Berufsgesetzes – erster Vorabentwurf im Umlauf
Bereits Ende 2023 gab es einen Vorabentwurf für ein neues Berufsgesetz in der Physiotherapie – datiert vom 21. Dezember 2023. In der letzten Woche ist dieser bekannt geworden. Wir sprechen darüber mit Andrea Rädlein, der Vorsitzenden von PHYSIO-DEUTSCHLAND.
Liebe Andrea, nun ist er in Umlauf, der erste Entwurf für ein neues Berufsgesetz und die Aufregung darum ist groß. Wie schätzt Du die aktuelle Situation ein?
Zunächst einmal ist es gut und wichtig, dass endlich Bewegung in den Reformprozess kommt. Allerdings handelt es sich bei der aktuell kursierenden Version um eine Vorabversion, die – nach unseren Informationen - nur für die Abstimmung zwischen den Koalitionspartnern gedacht ist.
Wie geht PHYSIO-DEUTSCHLAND nun mit diesem Entwurf um?
Wir prüfen das 145-seitige Dokument ganz genau und werden zu den uns wichtigen Punkten eine Stellungnahme veröffentlichen. Außerdem arbeiten wir sowohl im Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) als auch im Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen intensiv an den weiteren politischen Schritten.
Was sind denn die nächsten Schritte im Gesetzgebungsprozess?
Wir rechnen damit, dass es Ende März/Anfang April 2024 einen Referentenentwurf gibt, auf Basis dessen es dann zu Anhörungen der Verbände kommen wird. Nach Bearbeitung folgt dann der Entwurf, über den im Kabinett der Bundesregierung abgestimmt werden wird. Bei Zustimmung startet das eigentliche parlamentarische Verfahren mit einer ersten Lesung im Deutschen Bundestag und der Überweisung in den Gesundheitsausschuss des Bundestages.
Gibt es denn jetzt überhaupt noch Möglichkeiten, positiv auf das Gesetz einzuwirken?
Aber ja! Genau das ist Teil unserer berufspolitischen Arbeit. Wir werden sehr konkrete Vorschläge einbringen, um die Weiterentwicklung der Physiotherapie - stärker als bislang im Entwurf berücksichtigt - voranzubringen.
Kannst Du uns Beispiele nennen?
Ja. Der Entwurf beschreibt - wie leider zu erwarten war -, eine Fortführung der Teilakademisierung in der Physiotherapie – also die Möglichkeit einer fachschulischen Ausbildung und einer hochschulischen Ausbildung in der Physiotherapie. Damit wird ein Zustand manifestiert, den wir bereits seit mehr als zehn Jahren kennen und der vom internationalen Standard einer hochschulischen Ausbildung weiter abweicht. Schon heute verwirrt es Patientinnen und Patienten worin der Unterschied liegt, ob ein Therapeut oder eine Therapeutin ein Studium absolviert hat oder eben nicht. Wir wünschen uns für das Gesetz, dass diese sogenannte Teilakademisierung befristet wird und die Auswirkungen auf die Versorgung und deren Qualität zeitnah auf den Prüfstand gestellt werden.
Wie sieht es mit der Schulgeldfreiheit und dem Direktzugang aus?
Für die fachschulische Ausbildung sieht der Entwurf eine Schulgeldfreiheit und eine Ausbildungsvergütung vor. In der Beschreibung des Ausbildungs- beziehungsweise des Studienziels schreibt der Entwurf dem akademisch ausgebildeten Physiotherapeuten beziehungsweise der Physiotherapeutin eine „eigenverantwortliche“ Versorgung von Patientinnen und Patienten zu. Dies kann perspektivisch eine Heilmittelversorgung in der Physiotherapie im Direktzugang und Weiterentwicklungen im akademischen Bereich bedeuten. Das begrüßen wir sehr, auch wenn es aus unserer Sicht längst noch nicht konkret genug ist. Vor allem ist unklar, was mit den bereits heute für den Direktzugang qualifizierten Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten geschieht.
Sagt der Entwurf auch etwas über die Finanzierung aus?
Ja. Durch die Schulgeldfreiheit und die Ausbildungsvergütung kommen auf die Bundesländer, aber auch auf die Gesetzliche Krankenversicherung, in den nächsten Jahren Mehrkosten im dreistelligen Millionenbereich zu. Wie sich das auswirkt und wo das Geld herkommen soll, bleibt das Papier schuldig.
Hand aufs Herz, was glaubst Du, warum der Politik der Mut für ein deutlicheres Zeichen hin zu einer rein hochschulischen Ausbildung fehlt?
Noch hat die Politik und die Entscheider im Deutschen Bundestag die Möglichkeit hier ein klareres Zeichen zu setzen und auf eine Übergangsphase von zehn bis 15 Jahren hinzuwirken. Wir werden weiter für die langfristigen Vorteile auf Bundes- und Landesebene werben, weil es den Beruf attraktiver macht und weil die Patientinnen und Patienten von einem eindeutigen Profil innerhalb einer Berufsgruppe profitieren würden. Die Patientenversorgung würde dadurch an Qualität gewinnen.
Aktuell begründet die Politik ihre Entscheidung überwiegend mit der Größe unserer Berufsgruppe. Eine weitere Begründung ist, dass der Zugang auch ohne Abitur weiter möglich bleiben soll. Dieses Argument ist allerdings schnell abgeräumt, da der Zugang über den Erhalt des Masseurberufs gegeben wäre und unabhängig schon heute ein Studium in verschiedener Weise auch ohne Abitur möglich ist.
Wir werden nicht locker lassen, auf wichtige Punkte hinzuweisen und die Weichen deutlicher in Richtung Weiterentwicklung und weniger Bestandswahrung zu stellen.
Vielen Dank für das Gespräch, liebe Andrea.
Das Gespräch führte Ute Merz, Physiotherapeutin und Referatsleiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei PHYSIO-DEUTSCHLAND.
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